ADR-News

(Aktuelle Informationen zu Mediation und Konfliktmanagement)

Auswahl der Mediatoren – Vorgaben der Rechtssschutzversicherung

Nach § 2 Abs. 1 MediationsG wählen die Parteien den Mediator aus. Sofern der Auftraggeber (das Unternehmen) den Mediator beauftragt, ist dies wie Vorschläge von Dritter Seite (z.B. auch Gericht, Rechtsschutzversicherer) unproblematisch solange sie die konkrete Person ablehnen bzw. ihre Teilnahmebereitschaft ansonsten verneinen können. Umstritten ist dies, wenn Rechtsschutzversicherer (insb. aufgrund ihrer AGBs) die Kosten eines Mediationsverfahrens nur bei einem vom Versicherer ausgewählten bzw. aus einem Pool auszuwählenden Mediator übernehmen (vgl. LG Frankfurt a.M. 7.5.2014, 2-06 O 271/13). Nach einer neueren Entscheidung (sog. Nichtzulassingsbeschwerde im Hinblick auf eine Revision) des BGH vom 14.01.2016 – I ZR 98/15 – https://openjur.de/u/876286.html) handele es sich insoweit noch um eine zulässige Leistungsbestimmung, die die Freiheit, einen anderen Mediator zu beauftragen, nicht unzumutbar beschneide.: „Ein Rechtsschutzversicherer ist nach dem in § 125 VVG niedergelegten Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht gehindert, sein Angebot, die Kosten eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens zu tragen, dadurch zu erweitern, dass er zusätzlich anbietet, zwar nicht alle Kosten der sonstigen Wahrnehmung der rechtlichen Interessen, aber immerhin diejenigen dieser Kosten zu tragen, die durch ein Mediationsverfahren entstehen. … Dem Versicherungsnehmer steht es überdies auch nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten frei, den von dieser bestimmten Mediator abzulehnen sowie vom Mediationsverfahren insgesamt Abstand zu nehmen.“ Von Bedeutung ist insoweit, dass es sich bei dem Mediationsverfahren um eine Erweiterung der durch den Versicherungsvertrag Vorrangig geschuldeten Rechtsberatungsleistung im Hinblick auf eine streitige Klärung des Konflikts handelt. Ob dies anders zu sehen ist, wenn die Mediation wesentlicher Bestandteil der Versicherung ist, mag dahinstehen.

Mit Bezug auf BGH (4.12.2013 – IV AR VZ 3/12) geht aber wohl die h.M. davon aus, dass schon eine Anwaltsempfehlung oder Auswahl  nicht unzulässig sei, wenn die Entscheidung letztlich beim Versicherungsnehmer liege und die Grenze unzulässigen psychischen Drucks nicht überschritten werde. Bei einem Mediator sei das erst Recht der Fall, da für diesen das Gebot der freien Anwaltswahl nach § 127 VVG nicht gelte (vgl. Greger 2016 § 2 Rn. 5 und D Rn. 289; Wendt in Kloweit/Gläßer 2013, § 2 Rn 15;  Röthemeier ZKM 2014, 203 ff.). Dies wird von Prof. Dr. Frist Jost (ZKM 2014, 30) scharf  kritisiert, da die besondere Rolle des Mediators und insb. dessen Unabhängigkeit nicht hinreichend berücksichtigt werde.

Verbraucherstreitbeilegungsgesetz vom Bundestag beschlossen

Der Deutsche Bundestag hat am 3. 12.2015 das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (VSBG) in der vom Rechtsausschuss empfohlenen Fassung (BT-Drs. 18/6904) mit den Stimmen der Regierungs- und bei Stimmenthaltung der Oppositionsfraktionen beschlossen. Das Gesetz muss nun noch den Bundesrat passieren. Allerdings steht das VSBG nicht auf der Agenda der Bundesratssitzung vom 18. 12. 2015, weshalb es voraussichtlich nicht mehr in diesem Jahr verkündet werden wird. Die nächste Plenarsitzung des Bundesrats ist am 29.1.2016. Sollte das Gesetz dann abschließend behandelt werden, könnte das Gesetz am 1. April 2016 in Kraft treten.

Gegenüber dem Regierungsentwurf (s. hierzu die News vom 27.05.2015) enthält die jetzt vom Bundetag beschlossene Fassung insbesondere folgende Änderungen:

  • An die Qualifikation der sog. Streitmittler werden höhere Anforderungen gestellt. Sie müssen die Befähigung zum Richteramt besitzen oder zertifizierter Mediator sein (§ 6 Abs. 2 S. 2).
  • Zuständige Behörde für die Anerkennung von Verbraucherschlichtungsstellen ist das Bundesamt für Justiz (§ 27).
  • Die Länder können allerdings die Beauftragung bzw. Beleihung von Universalschlichtungsstellen durch Rechtsverordnung regeln (§ 29 Abs. 4),  brauchen allerdings vorerst keine Universalschlichtungsstellen einzurichten (§ 43).
  • Träger einer Verbraucherschlichtungsstelle muss stets ein eingetragener Verein sein (§ 3).
  • Die Verbraucherschlichtungsstelle muss ihren Sitz im Inland haben (§ 24).
  • Verbraucher können nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verpflichtet werden, vor Klageerhebung ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Entsprechende Klauseln, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat, sind unwirksam (§ 309 Nr. 14 BGB).
  • Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz fördert bis zum 31. 12.2019 zu Forschungszwecken die Arbeit einer bundesweit tätigen Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle. Dadurch sollen Erkenntnisse für die künftige Gestaltung der Auffangschlichtung gesammelt werden, ohne dass die Länder sogleich Universalschlichtungsstellen einrichten müssen (§ 43).

Quellen und weitere Informationen: Heute im Bundestag v. 2.12.2015; Schlichtungsforum/Prof. Dr. Greger

Interkulturelle Kompetenz in der Mediation

Das von Prof. Trenczek für und mit dem gemeinnützigen Mediationszentrum Waage Hannover e.V. im Jahr 2010/11 initiierte und konzipierte Projekt „Bürgerschaftliches Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund im Rahmen sozialraumnaher Schlichtung“ hat am 21.11.2015 den Niederachsenpreis „Freiwillig und unbezahlbar“ erhalten.

Ziel dieses Projektes ist es vor allem Konfliktparteien die Möglichkeit zu geben, Konflikte in ihrer Muttersprache und mit Verständnis des kulturellen Hintergrundes außerhalb des Gerichts beizulegen. Dies geschieht insbesondere mithilfe von Mediator/innen, die über einen Migrationshintergrund verfügen und durch die Waage/Waage-Institut in Kooperation mit dem SIMK fachgerecht ausgebildet werden. BewerberInnen erhalten ein von der Klosterkammen Hannover gesponsertes Stipendium für die Ausbildung zur MediatorIn und verpflichten sich dafür, mindestens drei Jahre lang ehrenamtlich für die Waage Hannover zu engagieren. Derzeit können Gespräche in den Sprachen Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Türkisch, Polnisch, Serbisch/Kroatisch, Lettisch, Persisch und Tamil angeboten werden. Die Stipendiaten geben auch ihre Erfahrungen an die anderen haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Waage Hannover weiter, so dass das ganze Team qualifiziert wird. Zudem wirken die  Stipendiatinnen als Multiplikatoren innerhalb der Stadt und Region Hannover.

Europa der Menschen und der Menschenrechte

Europa definiert sich nicht nur über seine ökonomische Stärke und seine spezifische Topographie, sondern über gemeinsame Werte.“

Am 2. Oktober haben Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Annesty International und anderen Nichtregierungsorganisationen sowie Gewerkschaften, Flüchtlingsinitiativen und Künstlern einen bundesweiten Aufruf gestartet. Dieser formuliert 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ein breit verankertes Selbstverständnis: Asyl ist ein Menschenrecht! Solidarität, Mitgefühl und Humanität gehören zu einem offenen, vielfältigen Deutschland und zu Europa. Für ein Europa der Menschen und der Menschenrechte (Initiator Amnesty International).

Gegen Rassismus, Hetze und Hass. Für ein offenes Europa der Aufklärung und der Freiheit, des Rechts und der weltanschaulichen Toleranz. Europa ist nicht nur oder in erster Linie ein gemeinschaftlicher Wirtschaftsraum, sondern lebt davon, dass es die Menschen und ihre Würde schützt. Geben Sie der Vernunft und der Humanität, den Menschenrechten und der Menschlichkeit in Deutschland und Europa eine Stimme. Zeigen Sie Haltung!  (siehe auch → hier)

Nicht nur am 10.12.: Tag der Menschenrechte

Am 10. Dezember 1948 wurde durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR – Universal Declaration of Human Rights) verabschiedet. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen nehmen diesen Tag jedes Jahr zum Anlass, an die Bedeutung dieser Erklärung zu erinnern und die Menschenrechtslage weltweit kritisch zu betrachten. Das Europäische Parlament verleiht am 10. Dezember jährlich den Sacharow-Preis, die Organisation Reporter ohne Grenzen ihren Menschenrechtspreis.

Diese AEMR der UN besteht aus 30 Artikeln, die die grundlegenden Ansichten über die Rechte, die jedem Menschen zustehen, „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“ (siehe AEMR). Die Menschenrechte beanspruchen universale Geltung, d.h. sie sollen für jeden Menschen gelten, unabhängig davon, in welchem rechtlichen Verhältnis er/sie zu dem Land steht, in dem er/sie sich aufhält.

An die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) knüpften zwei wichtigen UN-Vertragspakte an, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR, sog. Zivilpakt) sowie der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR, sog. Sozialpakt) von 1966 (beide in Kraft seit 1976), die zusammen die Internationale Menschenrechtscharta bilden (hierzu weiter →  Amnesty International und Wikipedia).

Vorbefassungsverbot – Tätigkeitsbeschränkungen für Mediatoren

Mediatoren sind laut Gesetz (bzw. besser „müssen sein“) unabhängige und neutrale Personen ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führen (vgl. § 1 Abs. 2 MediationsG). Sind die Mediatoren gegenüber auch nur einer Konfliktpartei nicht völlig unabhängig (z.B. Abhängigkeitsverhältnis, vertragliche oder soziale Verpflichtung) so dürfen sie in diesem Fall nicht tätig werden. Entsprechendes gilt, wenn sie in ihrem professionellen Setting im Hinblick auf ein Mediationsverfahren nicht unabhängig sind, also z.B. Vorgaben des Arbeitsgebers/Anstellungsträger (insb. Einigungsquoten) zu erfüllen haben.

Weitere sog. Tätigkeitsbeschränkungen von Mediatoren regeln § 3 Abs. 2 – 4 MediationsG. Danach darf als Mediator nicht tätig werden, wer vor der Mediation in derselben Sache in einer anderen als der Mediatorenrolle für eine Partei tätig gewesen ist (§ 3 Abs. 2 Satz 1 MediationsG, sog. Vorbefassungsverbot). Der Mediator darf auch nicht während oder nach der Mediation für eine Partei in derselben Sache tätig werden (§ 3 Abs. 2 Satz 2 MediationsG).

Der Grund ist Folgender: Mediatoren dürfen nicht in Gefahr geraten, ihre Allparteilichkeit (§ 2 Abs. 3 MediationsG) und das u. a. damit zusammenhängende Vertrauen der Parteien aufs Spiel zu setzen. Deshalb dürfen sie zu den Parteien nicht gleichzeitig in einem Beratungskontext stehen. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob diese Beratung eher psychosozialer, rechtlicher, betriebswirtschaftlich, steuerrechtlicher oder sonstiger Natur ist oder wie diese Beratungsform bezeichnet wird, ob als Coaching, Klärungshilfe, Prozess- oder Unternehmensberatung. Es verbieten sich deshalb nicht nur die gleichzeitige Rechtsberatung und Mediation (→ Mediation und Rechtsberatung) insb. durch Rechtsanwälte, sondern auch die von (Unternehmens- und Organisations-)Berater*innen und Coachs durchgeführten Konfliktvermittlungen im Hinblick auf die in einer Beratung der Unternehmensleitung/Geschäftsführung/Personalentwicklung bzw. einem Coaching einer Führungskraft oder in einem Workshop eines Teams in der konkreten Sache zutage tretenden Konflikte, weil (wenn und soweit) man mit diesen bereits in einem Beratungskontext verbunden und verpflichtet ist. Ebenso sind die in der Praxis bestehenden „Arrangements“ und Strukturen öffentlicher Träger unzulässig, in denen die Mitarbeiter*innen Mediation neben anderen Aufgaben „nebenher“ durchführen, ohne dass eine Trennung von parteilicher, interessengeleiteter Beratung und allparteilicher Mediation in der Angelegenheit gewährleistet wäre (z. B. Beratung und Mediation durch dieselben Mitarbeiter*innen einer Behörde). Das Vor-, Während- und Nachbefassungsverbot lässt sich auch nicht dadurch umgehen, dass man die vermittelnde Tätigkeit in Konflikten statt als Mediation als „Coaching“, „Klärungshilfe“, (Konflikt-)“Moderation“ oder was auch immer bezeichnet (→ funktionaler Mediatorenbegriff).

Nach § 3 Abs. 3 MediationsG darf eine Person auch dann nicht als Mediator tätig werden, wenn eine mit ihr in derselben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft verbundene andere Person vor der Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig gewesen ist. Allerdings können die betroffenen Parteien hiervon im Einzelfall nach umfassender Information eine Ausnahme machen. In diesem Fall gilt die Tätigkeitsbeschränkung nach Abs. 3 nicht – sofern Belange der Rechtspflege dem nicht entgegenstehen. Im Fall von § 2 Abs. 2 MediationsG, ist eine Ausnahme nicht zulässig. D.h. wer bereits selbst in einem Konflikt in einer anderen Beratungsfunktion tätig war, darf in dieser Sache nicht als Mediator tätig sein, selbst wenn die Parteien damit einverstanden wären.

Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – Expertenanhörung

Die Bundesregierung hatte am 27.5.2015 einen Gesetzentwurf für ein Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) verabschiedet, mit dem sie die EU-Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten in nationales Recht umsetzen will (hierzu siehe → hier). Die Umsetzungsfrist endete eigentlich bereits am 09.07.2015.

Am 30.9.2015 nahmen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sieben Sachverständige zu dem von Bundesregierung und Regierungskoalition vorgelegten Entwurf für ein Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Stellung.
Die einzelnen Stellungnahmen finden Sie  → hier

Eine Kurzzusammenfassung der Stellungnahmen finden Sie im Newsletter 42146 der Centrale für Mediation

Weitere Informationen zum derzeitigen Stand des Gesetzgebungsverfahrens finden Sie → hier