ADR-News

(Aktuelle Informationen zu Mediation und Konfliktmanagement)

Parteiverrat nach Mediation – Unzulässigkeit von Mediation und (Rechts-)Beratung

Auf der SIMK-Internetseite wurde bereits in verschiedenen Beiträgen auf die fachlichen (Mindest-)Standards der Mediation hingewiesen, die für alle Personen gelten, die als Vermittler:in iSd § 1 Abs. 2 MediationsG ohne Entscheidungskompetenz in der Streitsache zwischen zwei oder mehreren Parteien vermitteln und zwar unabhängig davon ob sie als (Rechts-)Anwälte, (Unternehmens-, Familien-)Berater etc. tätig werden oder wie sie sich (z.B. Moderater, Supervisor et. ) nennen (→sog. funktionaler Mediatorbegriff). Das betrifft insb. die Neutralität und Allparteilichkeit der Vermittler und das Verbot der sog. Vor-, Während- und Nachbefassung. Wer als Mediator iSd § 1 Abs. 2 MediationsG tätig ist, darf in derselben Streitsache weder vor, noch während noch im Anschluß an das Mediationsverfahren als Berater tätig werden.

Nun hat das OLG Celle in seiner Entscheidung vom 26.08.2025 – 2 ORs 9625 die Revision der verurteilten (als Mediator tätigen) Rechtsanwalts  gegen das Berufungsurteil des Landgerichts Hannover vom 28. 10.2024 (ursprüngliche Verurteilung AG Springe 18.07.2023) wegen Parteiverrats verworfen und hervorgehoben, dass es „dem Gebot der Unabhängigkeit und Neutralität in besonderem Maße widerspricht, wenn eine Mediatorin bzw. ein Mediator vor, während oder nach einer Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig wird.“

Auszug aus der Entscheidung des OLG Celle (26.08.2025 – 2 ORs 9625):

2. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben:

a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte im Oktober 2018 Kontakt zu der Zeugin P. auf. Die schwangere Zeugin hatte wegen einer Ehekrise kurz zuvor die Ehewohnung verlassen müssen und bemühte sich, von ihrem verschiedene Gegenstände zu erlangen, die in der Wohnung verblieben waren. Der Angeklagte stellte sich der Zeugin als Rechtsanwalt und Mediator vor und bot an, zwischen ihr und ihrem Ehemann als „allseitiger“, „unabhängiger“ Mediator einen konstruktiven Dialog zwischen ihr und ihrem Ehemann in die Wege zu leiten. Dabei erklärte er, dass sich der Ehemann um die finanzielle Seite der Mediation kümmern wolle. Die Zeugin P. führte daraufhin ein etwa eineinhalb Stunden dauerndes Gespräch mit dem Angeklagten, in dem sie ihm detailliert ihre Sicht der Eheprobleme und ihren dringenden Bedarf an den Gegenständen schilderte. In der Folgezeit tauschte sich der Angeklagte mit ihr und ihrem Ehemann aus und berichtete ihr schließlich, dass ihr Ehemann „eine Gesamtlösung“ wolle und ein von der Zeugin angestrebter Termin zur Abholung der Gegenstände nicht stattfinde. Eine Einigung kam nicht zustande. Im späteren Scheidungsverfahren zeigte der Angeklagte im Januar 2021 gegenüber dem Amtsgericht Wolfsburg an, dass er die rechtlichen Interessen des Zeugen P. vertrete, versicherte seine anwaltliche Bevollmächtigung und beantragte Akteneinsicht. Nach einer Rüge durch die Rechtsanwaltskammer legte er sein Mandat nieder.

b) Das Landgericht hat es zu Recht als pflichtwidrig im Sinne des § 356 StGB gewertet, dass der Angeklagte nach dem Scheitern der Mediation den Ehemann der Zeugin P. anwaltlich vertreten hat. Diese Bewertung entspricht der ausdrücklichen Tätigkeitsbeschränkung aus § 3 Abs. 2 Satz 2 MediationsG, der bereits vor Inkrafttreten des Mediationsgesetzes ergangenen Rechtsprechung und der ganz überwiegenden straf- und berufsrechtlichen Literatur (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. April 2001 – 2 U 1/00 –, Rn. 2, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. September 2002 – 3 Ss 143/01 –, Rn. 19, juris [mit Abgrenzung zur erfolgreichen einvernehmlichen Scheidung]; Wolter / Hoyer, SK-StGB – Kommentar, 10. Auflage 2023, § 356 StGB, Rn. 40; BeckOK StGB/Heuchemer/von Heintschel-Heinegg, 66. Ed. 1.8.2025, StGB § 356 Rn. 30; Lackner/Kühl/Heger/Heger, 30. Aufl. 2023, StGB § 356 Rn. 7a; MüKoStGB/Schreiner, 4. Aufl. 2022, StGB § 356 Rn. 69; Gillmeister in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 356 StGB, Rn. 36; TK-StGB/Weißer/Bosch, 31. Aufl. 2025, StGB § 356 Rn. 22; Matt/Renzikowski/Matt, 2. Aufl. 2020, StGB § 356 Rn. 36; Weyland/Bauckmann, 11. Aufl. 2024, BRAO § 43a Rn. 70; BeckRA-HdB/Hamm, 12. Aufl. 2022, § 53. Rn. 47; Henssler/Prütting/Henssler, 6. Aufl. 2024, BRAO § 43a Rn. 251). Der Senat schließt sich dem an und teilt die Auffassung der Gesetzesbegründung zu § MediationsG, dass es dem Gebot der Unabhängigkeit und Neutralität in besonderem Maße widerspricht, wenn eine Mediatorin bzw. ein Mediator vor, während oder nach einer Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig wird (BT-Drs. 17/5335, S. 16).

 

Quelle: OLG Celle  Beschl. v. 26.08.2025, Az.: 2 ORs 96/25
(NI-Voris; dejureorg mwNw)

TOA-Mediation im Jugendbereich

Im TOA-Magazin 01/2025 ist ein Beitrag von Prof. Trenczek zum Thema TOA-Mediation im Jugendbereich erschienen

Abstract: In dem Beitrag über die sog. TOA-Mediation im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe im TOA-Magazin 2/2024 werden aus der Perspektive der Praxis Ansichten und Wünsche formuliert, die mit den geltenden rechtlichen Regelungen des SGB VIII nicht in Einklang zu bringen sind. Die im Beitrag formulierte Annahme, es ergäbe sich aus den Regelungen des SGB VIII „nachweislich … eine Pflicht der Jugendämter, auch Mediation im Strafverfahren anzubieten“, produziert Erwartungen, die durch die gesetzlichen Regelungen nicht begründet sind. Aus diesem Grund werden mit der hier vorliegenden Replik die gesetzlichen Regelungen rechtwissenschaftlich begründet erläutert, insb. welche (Tatbestands-/Leistungs-)Voraussetzungen im Hinblick auf die Bewilligung und Finanzierung erfüllt sein (s. II.) und welche fachliche (Mindest-)Standards bei der Durchführung der Konfliktvermittlung beachtet werden müssen (s. III.).

Trenczek, T.: TOA-Mediation im Jugendbereich; TOA-Magazin 01/2025, 16-19 [ISSN 2197-5965]

 

Tag der Mediation

Der Tag der Mediation wurde mit der „Wiener Erklärung“ ins Leben gerufen. Am 18. Juni 2013 trafen sich die großen deutschsprachigen Mediationsverbände in Wien und beschlossen fortan jeden 18. Juni als Tag der Mediation zu feiern:

„Die Mediationsverbände des deutschsprachigen Raumes beschließen in ihrem Bestreben zur Verbreitung der Mediation künftig noch enger zusammenzuarbeiten. Dazu werden sich die Vorstände regelmäßig treffen, um gemeinsame Maßnahmen abzustimmen. Wir erklären den 18. Juni zum Tag der Mediation! Alle Mediationsorganisationen werden eingeladen an diesem Tag Aktionen zur Förderung der Mediation durchzuführen.“

Die Bekanntheit von Mediation in der Öffentlichkeit zu steigern, ist das erklärte Ziel des internationalen Tags der Mediation. Wenn Sie weitere Informationen über das Mediationsverfahren erhalten, einen Schnupperkurs oder eine in-house Mediationsausbildung für Ihre Mitarbeitenden anbieten wollen, nehmen Sie mit uns Kontakt auf. Erste Informationen finden SIe auch auf dieser Internetseite unter

Verfahren und Methoden

Arbeitshilfen

Quelle:Österreichischer Bunsverband für Mediation (ÖBM).
Prof. Trenczek ist Mitglied des ÖBM und
eingetrgener Mediator beim Bundesministerium der Justiz, Wien.

Restorative Justice, Mediation und TOA – Unterschiede und Standards

Die Idee einer Restorative Justice wird in Deutschland in seinen Wesensmerkmalen (Opferperspektive/Wiedergutmachung, aktive Teilhabe/Partizipation, Gemeinwesenansatz) nur ansatzweise umgesetzt. Im Wesentlichen geht es hier zu Lande um die bilaterale Konfliktvermittlung in strafrechtlichen Konflikten zugunsten eines sog. Täter-Opfer-Ausgleiches. Es ist deshalb erforderlich, dass die Begriffe/Konzepte „Restorative Justice“, „Mediation“ sowie „Täter-Opfer-Ausgleich“ geklärt, die Unterschiede verstanden und die gesetzlich normierten, fachlichen Mindeststandards der Vermittlung in strafrechtlich relevanten Konflikten eingehalten werden (vgl. die nchfolgende Lesehilfe sowie das Glossar). In der letzten Zeit sind hierzu einige Beiträge von Thomas Trenczek erschienen:

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Für Europa!

In einem Beitrag „Für Europa“ in der aktuellen WE-Ausgabe der SZ (22.03.2025) appelliert Jürgen Habermas eindrücklich für eine konsequente Neuausrichtung der europäischen (Sicherheits-)Politik. Aus meiner Sicht ist sein „Appell für Europa“ ein wenig „altklug“ (das darf er ja mit 95 Jahren auch durchaus sein) und besserwisserisch, zT irritierend (man hatte früher mit Putin über „ein für die Ukraine akzeptables, aber dieses Mal vom Westen gewährleistetes Arrangement“ verhandeln sollen; vgl. auch sein „Plädoyer  für Verhandlungen“ v. 14.2.2023), insgesamt aber überzeugend, eindringlich mahnend im Hinblick auf die Sicherheitsarithmetik und Notwendigkeit der Wehrhaftigkeit Europas sowie der dringend notwendigen EU-Integration der Verteidigungskräfte der Nationalstaaten, insbesondere des deutschen Militärs, im Rahmen einer Europäisierung (nicht nur) der europäische Verteidigung. Zu Recht formuliert Habermas einen Vorbehalt:

Die politischen Gründe, die ich für eine Rechtfertigung der Stärkung einer gemeinsamen militärischen Abschreckungsmacht der Europäischen Union genannt habe, kann ich nur unter dem Vorbehalt eines entsprechend weiteren Schrittes in der europäischen Integration vertreten. Zur Begründung dieses Vorbehalts sollte schon der eine Gedanke, mit dem die alte Bundesrepublik auf- und ausgebaut worden ist, genügen: Was würde aus einem Europa werden, in dessen Mitte sich der bevölkerungsstärkste und wirtschaftlich führende Staat auch noch zu einer alle Nachbarn weit überragenden Militärmacht mausern würde, ohne verfassungsrechtlich zwingend in eine gemeinsame, an Mehrheitsentscheidungen gebundene europäische Verteidigungs- und Außenpolitik eingebunden zu sein?

Das trifft auf meine Zustimmung, verweise ich doch in meiner Visitenkarte seit Jahren auf „For a Europe and World of the people and the human rightsFür ein Europa der Menschen und der Menschenrechte.“ Ohne Menschenrechte kann es keinen (wahren) Frieden geben.

Quelle: SZ v. 22.03.2025

Appell von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland an die Politik

Der nachfolgende Apell ist von der deutschen Sektion der Scientist for Future/ Universität Bayreuth initiiert und mittlerweile von nahezu 12.000 Wissenschaftler:innen unterzeichnet worden. Scientists for Future (S4F, auch Scientists4Future) ist ein Scientist for Futureüberinstitutioneller, überparteilicher und interdisziplinärer Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen, die sich für eine nachhaltige Zukunft engagieren.

Sehr geehrte Volksvertreterinnen und Volksvertreter,
als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland sind wir in großer Sorge. Die Klima­krise und weitere Umweltkrisen (Biodiversitätsverlust, Überlastung biogeochemischer Stoffkreisläu­fe, …) sind mittelfristig die größte Bedrohung für Sicherheit, Wirtschaft und Wohlstand, Demokratie, Zivilisation und Menschenleben. Dennoch spielten diese Themen im Bundestagswahlkampf fast keine Rolle. Die jüngsten außenpolitischen Zuspitzungen könnten diese Themen noch weiter an den Rand drängen. Doch diese Bedrohung darf nicht verdrängt werden. Ihr muss gerade jetzt effi­zient begegnet werden.

Wir appellieren daher an alle demokratischen Parteien, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, und erwarten insbesondere von der zukünftigen Bundesregierung:

  1. Ein klares Bekenntnis zum Klimaschutzgesetz und zum Green Deal. Alle Bestrebun­gen, diese Regelungen aufzuweichen oder zu untergraben, müssen entschieden zurückge­wiesen werden. Zur Einhaltung der Ziele müssen ein regelmäßiges Monitoring erfolgen und ggf. Maßnahmen zur Nachsteuerung ergriffen werden.
  2. Eine ehrliche Kommunikation der Herausforderungen und Probleme gegenüber der Bevölkerung. Die Bekämpfung der Klima- und weiterer Umweltkrisen erfordert Verände­rungen in allen Lebensbereichen. Wir sehen es deshalb als zwingend erforderlich an, dass die demokratischen Parteien den anstehenden Problemen nicht ausweichen, sondern diese gemeinsam konstruktiv angehen.
  3. Eine Ausrichtung der Entscheidungen an den technisch-wissenschaftlichen Fakten. Weder die Kernspaltung noch die Kernfusion werden einen relevanten Beitrag zum Errei­chen der deutschen Klimaziele leisten können. Das gleiche gilt für E-Fuels und Wasserstoff im Straßenverkehr und für die Wärmeversorgung in Gebäuden. Schlüsseltechnologien für die Abkehr von fossilen Brennstoffen in Deutschland sind erneuerbare Energien, insbeson­dere Wind und Photovoltaik, diverse Speichertechnologien und intelligente Netze, Wärme­pumpen, batterieelektrische Antriebe sowie grüner Wasserstoff als chemischer Grundstoff und Langzeitspeicher.
  4. Einen klaren Kurs in der Klimapolitik. Eine Kehrtwende im Klimaschutz schadet auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland, denn Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Regeln, die sich ständig ändern, verursachen hohe Kosten und verstellen den Weg zu inno­vativen Geschäftsmodellen jenseits fossiler Brennstoffe. Wirtschaft und Klimaschutz müs­sen Hand in Hand gehen. Gerade die aktuellen außenpolitischen Krisen zeigen, dass die starke Abhängigkeit von fossilen Importen Deutschland und Europa verletzlich macht.  
  5. Eine wahrnehmbare soziale Komponente aller Klimaschutzmaßnahmen. Zentral ist hier die Rückzahlung eines Großteils der durch CO2-Bepreisung eingenommenen Mittel als Klimageld. Ohne eine soziale Komponente wird die deutsche Klimaschutzpolitik nicht er­folgreich sein.

 

Quellen: Scientists for Future (S4F, auch Scientists4Future) / Universität Bayreuth v. 12.03.2025

Scientists for Future (S4F, auch Scientists4Future) v. 12.03.2025

Obligatorische ADR – Neuigkeiten im spanischen Zivilverfahrensrecht

In Spanien wurde unlängst das Zivilverfahrensrecht reformiert. Das Anfang April 2025 in Kraft getretene sog. Organgesetz führt zahlreiche Neuerungen in das spanische Verfahrensrecht ein, die insb. zu einer Steigerung der Effizienz der Rechtspflege führen sollen. Von großer Bedeutung für die ADR sind u.a. die Änderungen im Zivilprozessrecht. Insb. wurde dem streitigen Verfahren ein obligtorisches ADR-Verfahren vorgeschaltet. Wer nunmehr vorgerichtliche Bemühungen zur einvernehmlichen Erledigung des Rechtsstreits nicht nachweisen kann, trägt die Verfahrenskosten selbst dann, wenn er den Prozess gewinnt. Nach der Übergangsbestimmung 9 des Gesetzes gilt dies auch für vor dem 3.4.2025 eingeleiteten Verfahren, so dass die Vorschriften des neuen Gesetzes (insb. Abschnitt 19.5 der Zivilprozessordnung) Anwendung finden.

Quelle: LEX – Das deutsch-spanische Rechtsportal 31.01.2025

Zum Thema obligatische ADR vgl. auch →

Trenczek, T. (2021): Autonomie und Freiwilligkeit vs. Vorrang, Verpflichtung und Anordnung der Mediation; Konfliktdynamik 19. Jg., 4/2021, 320 – 322

Trenczek, T. /2021): Statement zum Forum 3 „Empfehlen sich Regelungen zur Integration der Mediation in das bestehende Rechtsschutzsystem? auf der Mediationskonferenz des BMJV am 28.05.2021