Category Archives: Allgemein

Niedersachsen: Entwurf einer Verordnung über das Entfallen von Gerichtsgebühren bei außergerichtlicher Konfliktbeilegung

Bereits im Jahr 2012 im Zusammenhang mit der Einführung des MediationsG hatte der Gesetzgeber in Art. 7 Nr. 1 des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (MediationsFöG) die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die von den Gerichten der Länder zu erhebenden Gerichtskosten ermäßigt werden oder gänzlich entfallen, wenn sich ein Gerichtsverfahren aufgrund einer außergerichtlichen Mediation oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung durch Klage- oder Antragsrücknahme endgültig erledigt. Leider wurde von dieser Möglichkeit bislang noch in keinem Bundeslang Gebrauch gemacht.

Nun hat die niedersächsische Landesregierung am 19.6. 2018 den Entwurf einer Verordnung beschlossen, nach der bei einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung die Gerichtsgebühren künftig komplett entfallen sollen – allerdings nur begrenzt auf die vor den Fachgerichten, also vor Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- oder Arbeitsgericht erhobene Klagen oder Anträge  – sofern diese nach einer außergerichtlichen Einigung der Parteien zurückgenommen werden. Einerseits zeigt sich Niedersachsen hier wieder einmal als bundeweiter Vorreiter in Sachen Mediationsverfahren (vgl. z.B. den Entwurf eines Nds. Mediationsgesetz v. 25.04.2007), andererseits scheint die Landesregierung die Auswirkungen des Gebührenwegfall in den allgemeinen Zivilsachen, insb. auch in Familienverfahren, für nicht absehbar bzw. finanzierbar zu halten, während das Land in den Verfahren der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit zumeist ohnehin zumindest einen Teil der Gerichtskosten trägt. So ist der Vorstoß des Landes Niedersachsen einerseits zu begrüßen, allerdings fehlt offenbar der „Mut“ (politische Wille), „Nägel mit Köpfen“ zu machen und eine vor allem für die allgemeinen Streiigkeiten in den Familien- und Zivilverfahren hinreichende Regelung zu treffen (vgl. auch → Berliner Modellprojekt Mediationskostenhilfe in Familiensachen).

Quelle: Presseinfo Nds. Staatskanzlei v. 19.6.2018

Zur aktuellen Flüchtlingsdebatte, der Verrohung der Sprache und Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze – für ein Erhalt der Rechsstaatlichkeit!

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat gerade eine aktualisierte Version der Stellungnahme zur Frage der „Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze“ veröffentlicht, die es sehr wert ist, gelesen und zur Kenntnis genommen zu werden. Angesichts der aktuellen politischen Lage, der Verrohung der Sprache in der öffentlichen Debatte und Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze in Deutschland und Europa erlaube ich mir an dieser Stelle, ausnahmsweise auf diesen Umstand aufmerksam zu machen und aus dem Fazit zu zitieren, um auf wesentliche Aspekte hinzuweisen, die in der aufgeheizten politischen Debatte zu kurz kommen:

Solange Kriege und gewalttätige Konflikte anhalten, solange die Weltgemeinschaft keine Fortschritte erzielt, die Situation in den betroffenen Ländern zu entschärfen, werden sich zahlreiche Menschen von dort auf den Weg machen, um ihr Leben und das ihrer Kinder zu retten. Weil Kriege nicht einfach auf Knopfdruck aufhören, Diktatoren nicht einfach abdanken, haben das Recht auf Asyl und der internationale Flüchtlingsschutz zur Konsequenz, dass die migrationspolitische Steuerung der Aufnahmestaaten Grenzen hat. Das Flüchtlingsrecht schränkt die staatliche Hoheitsgewalt ein. Einer offenen, das internationale Flüchtlingsrecht und die Menschenrechte achtenden Gesellschaft kann und wird es nicht gelingen, die Anzahl aufzunehmender Flüchtlinge auf einem kontinuierlichen Niveau zu regulieren oder gar ständig abzusenken. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse der Aufnahmestaaten, Migration zu steuern und den Schutzinteressen der Flüchtlinge kann nicht einfach aufgelöst werden. …. Würden EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland zu Zurückweisungen an der Grenze übergehen, resultierten daraus unübersehbare Gefahren für das ohnehin schon zerbrechliche und kriselnde Europäische Asylsystem. Abgesehen von Verstößen gegen europäisches Recht könnte es innerhalb der EU zu Kettenreaktionen kommen, das heißt, auch andere Mitgliedstaaten könnten Flüchtlinge mehr und mehr ohne Beachtung der Dublin-Verordnung zurückweisen. Die Folge wäre, dass Flüchtlinge innerhalb der EU wahllos hin- und hergeschoben würden, womit massive Menschenrechtsverletzungen einhergingen. Damit wäre auch eine weitere Entsolidarisierung in der EU verbunden, denn die Staaten mit EU-Außengrenzen, wie etwa Griechenland oder Italien, wären noch stärker als bisher in der Verantwortung für die Aufnahme der Menschen und die Durchführung von Asylverfahren.

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ADR-Klauseln in Verträgen als Wegweiser im Konflikt

In der ZKM 2/2018, S. 48 ff. ist ein interessanten Beitrag von Andreas Schmitz-Vornmoor über rechtlich unverbindliche Vertragsklauseln als Wegweiser im Konflikt erschienen. Der auch für Jurist*innen ungewohnte Blick auf Vertragsbestandteile, die bewusst ohne Rechtsbindungswillen formuliert werden, lohnt sich, enthalten doch derartge Absichtserklärungen und Verfahrenshinweise auch ohne Bindung ihre Wirkung und können Raum für eine verhandlungsbasierte Konfliktlösung schaffen.

Inhalt:
A. Vertragsgestaltung und alternatve Konfliktbearbeitung
I. Zum Verhältnis von Recht und alternatver Konfliktbearbeitung
II. Typische Zeitpunkte für Vertragsgestaltung
B. Funkton und Bedeutung rechtlich unverbindlicher vorsorgender Vertragsklauseln
C. Musterformulierungen
I. Allgemeine Hinweise
1. Juristsche Präzision beim (fehlenden) Rechtsbindungswillen
2. Sprachliche Freiheit im Übrigen
II. Musterformulierungen für den Umgang mit Konflikten
1. Einleitung: Mögliche Konflikte ansprechen
2. Den Vorrang von Verhandlungen betonen, gemeinsame Werte benennen
3. Verfahrenshinweise
4. Rechtliche Unverbindlichkeit
D. Fazit

Wie lösen Unternehmen Konflikte? – Neues Forschungsprojekt

Wie lösen Unternehmen Konflikte? Diese Frage stellt sich das Instituts für Vertragsgestaltung und Konfliktlösung (IVK) der Frankfurt University of Applied Sciences in Frankfurt/Main in einem neuen Forschungsprojekt.

Gemeinsam mit der IHK Frankfurt am Main untersucht das IVK, wie Unternehmen mit Konflikten umgehen und sie lösen. Zu diesem Zweck hat das IVK gemeinsam mit Forschungspartnern eine Online-Umfrage konzipiert. Die Teilnahme ist unter www.ihkfra.de/streit möglich. Mit dem Forschungsprojekt sollen auf wissenschaftlicher Basis praxisorientierte Lösungsansätze für die Bereiche Konfliktbewältigung und außergerichtliche Streitbeilegung erarbeitet werden. Dabei sollen auch erste Erfahrungen mit Verbraucherstreitbeilegungsstellen berücksichtigt werden.

(Quelle: Institut für Vertragsgestaltung und Konfliktlösung (IVK), Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt/M.)

Zu bisherigen Forschungen insb. des Instituts für Konfliktmanagement an der Viadrina, Frankfurt/Oder siehe → Konfliktmanagement deutscher Unternehmen hat sich schrittweise professionalisiert

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Vertraulichkeit im Mediationsverfahren

Eine wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches  Mediationsverfahrens ist, dass Sichtweisen, Interessen und sonstige Aspekte und Zusammenhänge, die für eine faire und bedürfnisgerechte Lösung eines Konflikts wichtig sind, im Vermittlungsgespräch offen angesprochen werden können, ohne Angst haben zu müssen, dass sich dies „herumspricht“ oder gar zu negativen Konsequenzen führen könnte.

Nach § 4 MediationsG unterliegen (zunächst nur) die Mediatoren der Schweigepflicht. Deshalb dürfen Sie keine Informationen, die sie in Ausübung ihrer Tätigkeit erlangt haben, an Dritte weitergeben. Das betrifft nicht nur die Inhalte der Gespräche  oder sonst anvertrauter Daten, sondern schon darauf, dass überhaupt ein Mediationsverfahren stattfindet, wer die Parteien sind etc. In unternehmensinternen Konflikten/Mediationsverfahren erstatten Mediatoren dem Unternehmen/der Organisation (sog.  de jure Auftraggeber) auch keinen Bericht über die Gesprächsinhalte. Die Verschwiegenheit besteht auch nach Beendigung des Mediationsverfahrens fort.

Die Verschwiegenheitspflicht korrespondiert mit dem Zeugnisverweigerungsrecht in § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 29 Abs. 2 FamFG, § 98 VwGO, § 118 Abs. 1 SGG). Über ein strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 StPO verfügen Mediatoren aber grds. nicht. Weitergehende berufsrechtliche Regelungen bleiben hiervon unberührt. Weitergehende Regelungen zur Verschwiegenheit aber auchAusnahmen vom Verschwiegenheitsgebot sind aufgrund von vorrangigen gesetzlichen Regelungen möglich (vgl. z.B. § 138 StGB, datenschutzrechtliche Vorschriften zB. §§ 64, 65 SGB VIII).

Da sich die gesetzliche Regelung zur Verschwiegenheit nur auf die Mediatoren bezieht, ist es wichtig, dass auch  die Konfliktbeteiligten im Mediationsvertrag untereinander die Vertraulichkeit vereinbaren, insb. nicht mit unbeteiligten Personen über das Verfahren und dessen Inhalte zu sprechen.

Einzelgespräche mit den einzelnen Parteien sind sog. partei-vertraulich, d.h. dass von den Mediatoren aus diesen mit den Parteien getrennt geführten Gesprächen, nichts in das gemeinsame Mediationsgespräch eingebracht werden darf.

Die Vertraulichkeitsregelungen sind dispositiv, sie können deshalb zwischen den Beteiligten anders vereinbart und auch die Mediatoren von der Verschwiegenheit entbunden werden. Deshalb bestehen erfahrene Mediatoren darauf, dass in der Mediationsvereinbarung geregelt ist, dass Auftraggeber bzw.  die einzelnen Konfliktbeteiligten darauf verzichten, die Mediatoren als Zeugen in einem gerichtlichen Verfahren benennen.

Quellen und weitere Information: Greger „Schutz des Vertrauens – Vertraulichkeit“ in
Trenczek et al. Handbuch Mediation und Konfliktmanagement  2017, Kap. 4.3

Roland Rechtsreport 2018 unterstreicht Bedeutung der Mediation

Der neue ROLAND RECHTSREPORT 2018 unterstreicht die hohe Bedeutung der Mediation (nachfolgend lesen Sie einen Auszug des Berichts 2018, S. 22 ff.)  :

Auch wenn der Anteil der Bevölkerung, die persönliche Erfahrungen vor Gericht gemacht haben, recht groß ist, wäre es ein Trugschluss anzunehmen, die deutsche Bevölkerung sei besonders prozessfreudig oder ausgesprochen gern vor Gericht. Vielmehr haben bereits die vorangegangenen ROLAND Rechtsreporte zeigen können, wie attraktiv der Bevölkerung alle Formen und Möglichkeiten der außergerichtlichen Einigung erscheinen. Eine Möglichkeit der außergerichtlichen Einigung undeine Alternative zu herkömmlichen Gerichtsverfahren bietet die Mediation. Vereinfacht kann die Mediation als Verfahren beschrieben werden, indem zwei Streitparteien mit Hilfe eines unabhängigen Vermittlers, eines sogenannten Mediators,gemeinsam versuchen, zu einer Konfliktlösung zukommen.

Die Mediation als Instrument der Streitbeilegung ist in Deutschland noch relativ jung. Erst Anfang der 1990er-Jahre wurde dieses Verfahren in Deutschland diskutiert und empirisch evaluiert. Nachdem einige Gerichte bereits ab dem Jahr 2002 Mediationsverfahren angeboten hatten – die jedoch zumeist noch von den Gerichten selbst durchgeführt wurden – etablierte sich die außergerichtliche Mediation spätestens mit dem Inkrafttreten des sogenannten Mediationsgesetzes im Jahr 2012, das erstmals eine umfassende gesetzliche Regelung für die außergerichtliche Mediation bot.

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Kriminalprävention durch Restorative Justice – Evidenz aus der empirischen Forschung

In dem von M. Walsh et al. [Bundesministerium des Innern/Nationales Zentrum für Kriminalprävention] herausgegebenen Handbuch „Evidenzbasierte Praxis in der Deutschen Kriminalprävention – ein Leitfaden für Politik und Praxis“ (Berlin 2018) ist ein neuer Beitrag von Prof. Trenczek und Prof. Hartmann erschienen: Kriminalprävention durch Restorative Justice – Evidenz aus der empirischen Forschung