Mediatorenkrankheiten

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum eine Mediation scheitern kann. Nicht alle haben etwas mit dem Verhalten der Mediatoren zu tun, doch soll an dieser Stelle auf einige „typische Fehler“ und Fallstricke hingewiesen werden. Eine verbreitere Mediatorenkrankheit ist es, die „objektive Wahrheit“ zu suchen, zu ermitteln statt mit den (konstruierten) Geschichten der Parteien zu arbeiten, die eigene Sichtweise für objektiv zu halten und von eigenen Werten und Maßstäben auszugehen, aufgrund von Einzelgesprächen Informationen selektiv (nicht) weiterzugeben, sich in eigene (Lösungs-)Ideen zu verlieben und „offenkundige“ Lösungen vorzuschlagen statt die Verantwortung bei den Betroffenen zu belassen.

Von manchen, besonders engagierten Mediatoren (insb. mit psychosozialer Ausbildung) hört man gelegentlich, sie wüßten sehr gut um die Sorgen und Nöte der Beteiligten in Konflikten, weshalb sie ihnen beratend helfen wollen und sie legitimiere, aus Vorgesprächen erhaltene Informationen gut dosiert zu verwenden. Von hier ist es nicht weit zur Manipulation der Parteien, nicht selten, um hohe Einigungsquoten vorweisen zu können. Vor allem Personen, die gewohnt sind, Entscheidungen zu treffen, fällt es sehr schwer, die in der Ausbildung vermittelten Kenntnisse in praktisches Handeln umzusetzen und den Parteien Zeit zu lassen, um geduldig die hinter den Positionen liegende Interessen herauszuarbeiten. Als Mediatoren tätige Juristen berichten in Supervisionen und Fallreflexionen regelmäßig, dass es aus ihrer Sicht aufgrund ihrer bisherigen beruflichen Ausbildung und Sozialisation am schwierigsten ist, die rechtliche Perspektive nicht in den Vordergrund zu rücken, keine (inhaltlichen) Lösungsvorschläge zu machen und insgesamt eine mediative Grundhaltung zu entwickeln, aus denen ein solches Handeln fließt. Demgegenüber täuschen sich manche Anwaltsmediatoren immer wieder selbst, wenn sie davon ausgehen, rechtliche Bewertungen und Mediatorenrolle trennen zu können.

Manchen Mediatoren ist es sichtlich unangenehm, Emotionen Raum zu geben und Spannungen zuzulassen. Sie zeigen eine erhebliche Scheu im Umgang mit den emotionalen Bedürfnissen und Gefühlen der Parteien. Werden allerdings diese Gefühle und die zugrunde liegenden Interessen und Bedürfnisse sowie die subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien von den Mediatoren nicht angemessen wertgeschätzt und bearbeitet, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie die nachfolgenden Verhandlungen blockieren bzw später unkontrolliert zum Ausbruch kommen. Dies gilt nicht nur für Nachbarschafts- und Familienkonflikte, sondern selbstverständlich auch für Mediationsverfahren in Unternehmen und der Wirtschaft.

Freilich sind Mediatoren auch „nur“ Menschen und deshalb nicht davor gefeit, ihre Vorerfahrungen, subjektiven Wahrnehmungen und Interpretationen, Übertragungen und Gegenübertragungen zu erliegen. Allerdings werden Fehler, Irrtümer, mangelhafte Kompetenzen und mangelnde Standards nicht immer offen gelegt und es gibt bislang im deutschsprachigen Mediationsraum – anders als z.B. in den Niederlanden – kein Beschwerdemanagement. Professionelle Mediatoren versuchen zumindest sich ihrer eigenen Grenzen bewusst zu machen und bewusst damit umgehen. Einer mangelhaften Praxis und Mediatorenkrankheiten kann vorgebeugt werden: durch eine gründliche, intensive und umfassende Mediationsausbildung, eine fortwährende Weiterbildung und Übung (lebenslanges Lernen), Co-Mediation, einen kritisch-reflexiven Umgang mit sich und der eigenen Praxis zusammen mit anderen Mediatoren sowie Supervision − das Alles ist eine gute Prävention, leider kein Impfstoff, der im Hinblick auf mögliche Gefahren und Fallgruben immun machen würde.

(Quelle und weiter → Trenczek: Aufgaben, Funktion und Kompetenzen von Mediatoren; in: Handbuch Mediation und Konfliktmanagement; Kap. 2.12, Baden-Baden 2013, S. 179 ff. (180 f.)