Die Wahl zum 21. Deutschen Bundestag findet am 23. Februar 2025 statt. Die AfD steht in den Umfragen bei rund 20 Prozent. Die aktuell stärkste Kraft, die CDU/CSU, ist unter ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz immer weiter nach rechts gerückt (vgl. Union in der Populismus-Falle?“, ARD Monitor, 19.09.2024 oder zuletzt die grundgesetzwidrigen Forderungen zur Europa- und Migrationspolitik; vgl. SZ v. 23.01.2025), scheut sich aber nicht mit der (in Teilen „gesichert“) rechtsextremistischen AFD (vgl. ZDF heute v. 21.01.2025) oder mit einer neo-stalinistischen Kaderpartei wie dem BSW zusammenzuarbeiten, deren Forderungen sich mitunter nicht von der (nationalistisch-völkischen, Europa-feindlichen wie Putin-freundlichen) Agitation und Demagogie der AFD (vgl. z.B. Tagesschau v. 31.07.2024; Deutsche Welle 24.08.2024; Cicero v. 9.9.2024) unterscheiden. Doch billiger Populismus, demokratische Tabubrüche und unverhohlen völker-/europarechts- und rechtsstaatwidrige Forderungen lösen keine Probleme (z.B. auch nicht das Attentat von Aschaffenburg; vgl. den Brandbrief der beiden großen deutschen Kirchen PRO v. 29.01.2025; Tagesschau v. 29.01.2025) und bewältigen nicht die bestehenden (sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen, ökologischen, …) Herausforderungen, sondern führen zu einem Wiedererstarken antidemokratischer, insb. rechtsnationaler Kräfte und damit – wie in Österreich (vgl. die Analyse v. Natascha Strobl perspective daily 15.01.2025) – in eine Sackgasse.
Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Noch funktionieren in Deutschland Rechtsstaat und Demokratie (was weltweit keine Selbstverständlichkeit ist; vgl. den Demokratieindex des Economist). Dies gilt es ungeachtet politischer Meinungsverschiedenheiten – fairer Streit gehört zur Demokratie – zu bewahren! Wir alle bestimmen mit, in welche Richtung sich Deutschland entwickelt. Die USA, Ungarn, Österreich, insb. das geschichtsvergessene Erstarken rechtsextremistischer Parteien und Bewegungen in Europa sollten eine Mahnung sein (von Russland und China oder anderen Diktaturen gar nicht zu reden).
Zwar hat die Ampel nicht alles erreicht, was sie sich im Koalitionsprogramm vorgenommen hat (nicht selten wurde diese Ziele und Vorhaben in der Koalition durch die FDP unterlaufen und offen bekämpft) – und auch dies waren ja bereits (unvermeidliche) Kompromisse. Wenn es aber künftig nach der Union, FDP, AFD und BSW geht, wird vieles zurückgenommen oder zurückgedreht, was in den letzten Jahren als zukunftssichernde Investitionen und gesellschaftspolitische Erfolge geschaffen wurde, z.B. Kohleausstieg und Energiewende, Selbstbestimmungsgesetz und die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sowie eine Europa-verbindende Außenpolitik. An weitere zukunftssichernde Veränderungen ist nicht mehr zu denken. Um das zu verhindern und den Rechtsruck im Parlament einzudämmen, brauchen wir jetzt alle, an demokratisch-rechtsstaatlichen und zukunftsorientierten Lösungen interessierte Kräfte, die eine Chance haben, ins Parlament einzuziehen. Als Korrektiv in einer neuen Bundesregierung oder als starke Stimme der Opposition.
Was man dabei bedenken sollte:
Setzen wir unser Kreuz klug
28 Prozent aller Stimmen von Erstwähler:innen bei der Europawahl im Juni gingen an Kleinstparteien (vgl. „Junge Menschen wählen anders“, Tagesschau Online, 10.06.2024), zusammen kommen die sog. „anderen Parteien“ zumeist auf 6 bis 10%. Das sollte bei dieser Wahl nicht wieder passieren. Es mag (vermeintlich) Gründe geben, eine Kleinstpartei zu wählen – vom Unverständnis über manche Entscheidungen der Ampel (z.B. Aufweichung der Klimaschutzziele im Bereich Verkehr) oder allgemein die Frust über „die“ (fälschlich in einen Topf geworfenen) „etablierten“ Parteien bis zu persönlichen Überzeugungen. Doch bei der Bundestagswahl werden Volt, Piratenpartei, die (Satire-)Partei, Tierschutzpartei, ÖDP und andere (wohl auch die FDP, von deren liberal-rechtsstaatlichen Positionen im Stil von Baum, Hirsch oder Leutheusser-Schnarrenberger nicht mehr übrig geblieben ist) Kleinstparteien voraussichtlich an der 5-Prozent-Hürde scheitern und haben keine Chance auf Direktmandate. Wer sie trotzdem wählt, verschenkt seine bzw. ihre Stimme. Denn die hat dann keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments und stärkt so unbeabsichtigt die Rechten.
Mobilisieren wir Wähler:innen,
die sich noch unsicher sind, ob sie [die Union oder die o.g. Kleinstparteien] wählen wollen. Ihnen sollten wir die Bedeutung dieser Wahl deutlich machen, darauf hinweisen, dass sich CDU, AFD und BSW für rückwärtsgewandte Politik einsetzen, und sie über die demokratischen Alternativen informieren.
Auch wenn Sie in den letzten Jahren (mit „der“ Politik) unzufrieden waren, gehen Sie zur Wahl oder nutzen Sie ihr Wahlrecht mit der Briefwahl und entscheiden Sie sich für demokratisch-rechtsstaatliche Parteien (ggf. für das „kleinere Übel“, aber eben nicht vergeblich für die Kleinstparteien)! Gegen Hass und Hetze, mehr Vernunft und Respekt! Für eine auf Rationalität und Solidarität basierende Politik, für eine klar am Grundgesetz ausgerichtete Rechts- und Innenpolitik (Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Bürgerrechte, …), für eine faire, sozial-ökologische, zukunftsfähige Wirtschaftspolitik und nachhaltigen Wohlstand, für eine chancengleiche Bildung, für mehr soziale und Generationen-Gerechtigkeit, Klima- und Umweltschutz, für ein sicheres, starkes und friedliches Europa! Gemeinsam und mit Zuversicht.
Am wichtigsten ist aber, dass Hass und Hetze, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland keine Zukunft haben und wir im öffentlichen wie privaten Diskurs – ungeachtet von mitunter unterschiedlichen politischen Ansichten – Respekt und Anstand wahren und den, an den o.g. zukunftsorientierten Zielen ausgerichteten, rechtsstaatlich-demokratischen Parteien zum Erfolg verhelfen.
(Redaktioneller Hinweis TT: der obige Text v. 16.01.2025, um Quellen aktualisiert am 29.01.2025, basiert in Teilen auf einem CAMPACT-Aufruf von Christoph Bautz vom 15.01.2025, der gekürzt wiedergegeben und redaktionell bearbeitet wurde. Campact e.V. Artilleriestr. 6 – 27283 Verden / Aller – Tel. 0 42 31 . 957 440 Internet: https://www.campact.de; Campact ist nicht zu verwechseln mit dem rechtsextremistischen Magazin Compact.]
Prof. Trenczek ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.