– und nochmals ein Beitrag zur Abgrenzung von Mediation und Rechtsberatung
Der BGH hat in seiner unlängst veröffentlichten Entscheidung (BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17) die Verurteilung einer Mediatorin zu rund 32.000 Euro Schadensersatz bestätigt, weil sie in einem Verfahren auf einvernehmliche Ehescheidung die tatsächlichen Grundlagen für etwaige Versorgungsausgleichsansprüche nicht ermittelt und die von ihr für die Vertretung der Eheleute eingesetzten Rechtsanwälte nicht zutreffend und umfassend informiert habe.
Leitsätze des Urteils:
- Übernimmt es der anwaltliche Mediator, einvernehmliche rechtliche Lösungsvorschläge zu entwickeln, kann eine Rechtsdienstleistung vorliegen; die Haftung des Mediators bestimmt sich dann regelmäßig nach den Maßstäben der Anwaltshaftung.
- Ein anwaltlicher Mediator, der von Eheleuten zu dem Zweck beauftragt wird, mit ihnen eine einverständliche Scheidungsfolgenvereinbarung auch über den Versorgungsausgleich zu erarbeiten, ist einem Ehegatten wegen des Verlusts des Versorgungsausgleichs zu Schadensersatz verpflichtet, wenn er die für den Versorgungsausgleich maßgeblichen Tatsachen nicht feststellt und der von ihm nicht ordnungsgemäß unterrichtete Rechtsanwalt des geschädigten Ehegatten in dem Ehescheidungsverfahren einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich erklärt.
Dieses Urteil hat heftige Kritik ausgelöst, nicht im Hinblick auf das Ergebnis – die Haftung der sich als Mediatorin und „Schlichtungsstelle“ bezeichnenden Anwältin für einen bei ihrer Mandantin eintretenden Schaden wird allseits für richtig bewertet, da sie diesen durch eine fehlerhafte Rechtsdienstleistung rechtswidrig und zurechenbar verursacht hat – sondern im Hinblick auf die von BGH verwendete Terminologie im Hinblick auf die von der Anwältin geschuldeten Dienstleistung. Irritiert hat mich z.B. der lapidare Hinweis „Soweit die Beklagte rechtliche Lösungsvorschläge entwickelte, war sie als anwaltliche Mediatorin zu einer solchen Rechtsdienstleistung berechtigt“, ohne dass sich der BGH mit der zugrundeliegende Frage und Abgrenzung zwischen allparteilicher Mediation und Rechtsberatung auseinander gesetzt und insoweit die aktuelle Kommentierung/Fachliteratur (zB. Greger § 2 Rn 185 ff m.w.Nw.; Trenczek im Handbuch Mediation & KM Kap. 1.1 und 4.1) ausgewertet bzw. die Grenzen der für Anwälte/Anwaltsmediatoren erlaubten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert hätte.
Auf der Grundlage des Mediationsgesetz (2012) müssen Rechtsberatung und Mediation ausdrücklich gegeneinander abgegrenzt werden: „Von der Rechtsberatung unterscheidet sich die Mediation insbesondere insoweit, als im Mediationsverfahren zwar das Recht als ein wesentlicher Orientierungspunkt für mögliche Konfliktlösungen erörtert werden kann, eine konkrete rechtliche Beratung über die dem Konflikt zugrundeliegenden Rechtsfragen jedoch nicht erfolgen darf“ (BT-Drs. 17/5335, 10; hierzu ausführlich → Mediation und Rechtsberatung). Zuletzt hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) dies nochmals eindeutig betont indem es auch in der ZMediatAusbV im Hinblick auf den „Inhalt des Ausbildungslehrgangs“ ausdrücklich auf die „Abgrenzung von zulässiger rechtlicher Information und unzulässiger Rechtsberatung in der Mediation durch den Mediator“ hingewiesen hat. Das sollten Mediatoren in der Praxis nicht vergessen, selbst wenn Sie Rechtsanwälte oder andere Volljuristen sind.
Um Missverständnisse zu vermeiden: im Ergebnis ist die Entscheidung des BGH ebenso wenig zu kritisieren wie für manchen anderen Merksatz, z.B.: „Eine Pflichtverletzung des Mediators liegt vor, wenn seine Tätigkeit dem vereinbarten Leistungsstandard nicht entspricht. Im Falle einer Pflichtverletzung haftet der Mediator und schuldet Schadensersatz.“ Mediation ist kein Wischi-Waschi oder ein meditativer (!) Gesprächskreis mit Klangschalen und Räucherstäbchen (leider wird Mediation auch 5 Jahre nach Inkrafttreten des MediationsG mancherort immer noch mit Meditation verwechselt), auch wenn manche Vermittlungsangebote in der Praxis offenbar diesen Anschein erwecken. Mediation ist ein auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und fachlichen Standards basierendes systematisches Verfahren konstruktiver Konfliktregelung, bei dem zwei oder mehrere sich streitende Parteien mit Hilfe unparteiischer Dritter („Mediatoren/Vermittler) einvernehmliche Regelungen suchen. Mediatoren unterstützen die Parteien dabei, ihre Interessen zu erkennen und zu artikulieren, Lösungsoptionen zu erarbeiten, die Entscheidung selbst liegt aber ausschließlich in den Händen der beteiligten Parteien. Mediatoren dürfen den Streitgegenstand weder (rechtlich, betriebswirtschaftlich, psycho-sozial, …) bewerten noch Lösungsoptionen vorschlagen (zu Aufgaben, Funktionen und der Rolle von Mediatoren → Trenczek in Handbuch Mediation und Konfliktmanagement, Kap. 2.12, 2017, 182 ff.). Legitimation und wachsende Akzeptanz kann Mediation nur erhalten, wenn die fachlichen Standards verbindlich beschrieben und deren Einhaltung auch überprüft und eingefordert werden (vgl. hierzu → Zukunft der Mediation).
Ausführlich zum Urteil des BGH und der Kritik
- Greger, R.: BGH: Irreführendes zu Mediatorenpflichten und -haftung v. 13.10.2017
- Greger, R.: BGH verurteilt Mediatorin zu Schadensersatz v. 13.10.2017
- Hartung, M.: BGH verurteilt Mediatorin zu Schadensersatz – und zwar völlig zu Recht (BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17)
- Hartung ZKM 1/2018, 32 ff.