Rechtsschutzversicherungen dürfen nicht in die Mediation zwingen – Keine Rechtsberatung in einer Mediation –

Urteil des OLG Frankfurt vom 09.04.2015 – 6 U 110/14

Leitsatz: Die von einer Rechtsschutzversicherung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel, wonach die Übernahme der Kosten für eine anwaltliche Beratung von der vorherigen Durchführung eines Mediationsversuchs abhängig ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar.

Hintergrund: In einem zivilrechtlichen Berufungsverfahren der Rechtsanwaltskammer Berlin (RAK) gegen eine deutsche Rechtsschutzversicherung ging es im Wesentlichen um zwei Fragen:

  • Darf eine Rechtsschutzversicherung die Kostenübernahme für die Rechtsberatung von der Durchführung einer Mediation abhängig machen?
  • Darf die Rechtsschutzversicherung den (von ihr bezahlten) Mediator auswählen?

Die zweite Frage hat das LG Frankfurt 7.5.2014, 2-06 O 271/13 mit Hinweis auf § 2 Abs. 1 Mediationsgesetz („Die Parteien wählen den Mediator aus.“) klar verneint. Aufgrund der von der Rechtschutzversicherung eingelegten Berufung hat nun das OLG Frankfurt der Rechtsschutzversicherung mit – in seinen Auswirkungen wohl noch weitergehenden – Urteil vom 09.04.2015 (Az. 6 U 110/14) untersagt, in ihren Versicherungsbedingungen (AGB, hier ARB genannt) festzulegen, dass der Kunde für ein gerichtliches Verfahren Rechtsschutz erst dann erhält, wenn er zuvor ein Mediationsverfahren erfolglos durchgeführt hat. Die Kostenzusage für ein gerichtliches Verfahren darf nicht einem vorgeschalteten Mediationsverfahren („Zwangsmediationsversuch“) abhängig gemacht werden.

Das OLG Frankfurt hält die Vertragsbestimmungen des Rechtsschutzversicherers für unwirksam und verurteilte die Versicherung, sich nicht mehr auf diese Bestimmungen zu berufen. Im Einzelnen lauteten diese Bestimmungen der AGB wie folgt:

§ 4.1a (1) Bei den Leistungsarten Schadensersatz-Rechtsschutz (§ 2 a), Arbeits-Rechtsschutz (§ 2 b), Wohnungs- und Grundstücksrechtsschutz (§ 2 c), Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht (§ 2 d) übernimmt der Versicherer für die außergerichtliche Wahrnehmung von Interessen nur die in § 5 Abs. 1 c) ARB genannten Kosten eines von ihm ausgewählten Mediators.
(2) Bei den in Absatz 1 genannten Leistungsarten besteht Anspruch auf Rechtsschutz für die gerichtliche Wahrnehmung rechtlicher Interessen erst dann, wenn zusätzlich zu den in § 4.1 a ARB genannten Voraussetzungen sich der Versicherungsnehmer um eine Konfliktlösung durch Mediation vergeblich bemüht hat. Dies gilt dann nicht, wenn mit der Durchführung der Mediation für den Versicherungsnehmer unmittelbare Rechtsnachteile verbunden sind oder unmittelbare Rechtsverluste drohen.
(3) Abweichend von § 5 Abs. 2 a ARB kann der Versicherungsnehmer die Übernahme der vom Versicherer zu tragenden Kosten für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen vor Gerichten erst verlangen, wenn auch die in Abs. 2 genannten Voraussetzungen vorliegen.“

Das OLG stellte zunächst fest, dass die umstrittenen Klauseln einen Zwang zu einem Mediationsversuch beinhalten. Diese Regelung verschaffe der Versicherung erhebliche Vorteile, da dies zu einer erheblichen Kostensenkung führe. Sie erschwere dem Kunden die Möglichkeit einer anwaltlichen Beratung, da die AGB-Klausel vorschreibe, dass eine Mediation sogar vor einer anwaltlichen Beratung erfolgen müsse.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang zunächst die klare Trennung von Mediation und Rechtsberatung. Das Gericht stellt klar: Eine „Rechtsberatung kann und soll ein Mediator – selbst wenn er auf Grund seiner anwaltlichen Ausbildung dazu in der Lage sein sollte – gerade nicht leisten. … Sollte der Mediator im Laufe des Verfahrens erkennen, dass eine Partei rechtlich nicht hinreichend beraten ist, darf er diese Beratung nicht etwa selbst erteilen, sondern muss die Partei auf die Möglichkeit externer Beratung hinweisen (§ 2 Abs. 4 Satz 2 MediationsG). Eine Mediation ist insbesondere nicht gleichzusetzen mit (sonstigen) Formen der alternativen Streitbeilegung etwa vor Schiedsstellen oder Schlichtungsstellen. Anders als diese Stellen bewertet der Mediator weder die Positionen der Parteien in rechtlicher Hinsicht noch macht er konkrete Lösungs- oder Kompromissvorschläge; vielmehr lebt die Mediation als Verfahren von der methodischen Vorgehensweise der Mediatoren. Eine Mediation kann deshalb die Rechtsberatung nicht ersetzen.

Die Versicherung hatte verschiedene Versicherungsbedingungen angeboten, wobei der Tarif inklusive Mediation erheblich günstiger war als der „Normaltarif.“ Gleichwohl sah das OLG Frankfurt darin eine unangemessene Benachteiligung. Es hat deshalb untersagt, derartige Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden, da dem Versicherungsnehmer der Zugang zu einer kostenlosen anwaltlichen Beratung erheblich erschwert werde. Auch der günstigere Tarif könne die Nachteile für den Versicherungsnehmer nicht kompensieren.

Deshalb kann es nach Ansicht des OLG dahinstehen, ob – wie das Landgericht in der Vorinstanz angenommen hat (LG Frankfurt 7.5.2014, 2-06 O 271/13) – die anderen Klauseln (s.o. § 4.1 ARB) den Versicherungsnehmer deshalb unangemessen benachteiligen, weil die alleinige Auswahl des Mediators durch die Beklagte mit wesentlichen Grundgedanken von § 127 VVG bzw. § 2 Abs. 1 MediationsG unvereinbar sei (§ 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Hinzuweisen ist darauf, dass sich das Urteil allein auf die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Rechtsschutzversicherung bezieht. Es ist weiterhin zulässig, dass sich Vertragspartner wechselseitig zu einer – einem streitigen Verfahren vorgeschalteten – Mediation verpflichten. Darüber hinaus ist es Sache des Gesetzgebers, Mediation in bestimmten Kontexten, z.B. im Bereich des Familienrechts Kindschaftssachen im Hinblick auf das Wohl des Kindes verpflichtend anzuordnen oder den Gerichten eine entsprechende Anordnungsbefugnis zu geben, wie das in einigen anderen Rechtsordnungen bereits der Fall ist.

Quelle:  OLG Frankfurt 09.04.2015 – Az. 6 U 110/14 – http://openjur.de/u/769273.html