Mediation: 7 Fragen an den Experten – Interview der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung mit Prof. Trenczek
1. Warum hinken wir in Deutschland in der Entwicklung alternativer Streitlösungen so hinterher
Mediation und andere außergerichtliche Formen der Konfliktbearbeitung (alternative dispute resolution) scheinen sich in den Rechtstraditionen des common law systems, wie z.B. Australien oder die USA, leichter entwickeln zu können. Die Erfahrungen dieser Länder lassen sich nicht einfach auf Deutschland übertragen. Das common law system basiert z.B. weniger auf einem in Gesetzbüchern auskodifizierten materiellen Recht (z.B. dem BGB) als auf einem flexiblen Konzept der Verfahrensgerechtigkeit. Mediation baut gerade auf diesen Prinzipien der Fairness auf und hat es insofern leichter, akzeptiert zu werden. Man kann zudem durchaus feststellen, dass die Effektivität und Verlässlichkeit der deutschen Rechtsprechung durchaus höher ist und gleichzeitig nicht so kostenintensiv wie z.B. in den USA, so dass sich die Frage nach den Alternativen lange nicht so dringend wie dort gestellt hat …..
2. … und was sind die negativen Gründe?
Andererseits ist das deutsche Justizsystem schon aufgrund seiner langen Tradition weniger flexibel und offen für notwendige Veränderungen. Die Justiz ist ja teilweise auch zurecht skeptisch gegenüber den vielen Neuerungen, die an sie herangetragen werden. Mediation hat es aber auch deshalb schwer, weil es auf einem anderen Konflikt- und Kommunikationsverständnis als das tradierte Gerichtsverfahren basiert. Freilich ist Mediation in Deutschland insgesamt noch ziemlich unbekannt und wird in der Öffentlichkeit häufig mit Begriffen wie Meditation oder Medikation verwechselt….
3. Ist Mediation etwas für Gutmenschen, die Angst vor dem Richter haben?
Das mag man vielleicht mit dem Begriff Meditation verbinden. Bei Mediation geht es aber um etwas ganz Anderes. Gegenstand des Gerichtsverfahrens sind ausschließlich Rechte, die grundsätzlich retrospektiv, also mit Blick zurück auf die Vergangenheit entschieden werden. Gerichtsentscheidungen weisen in der Regeln keine in die Zukunft weisende, gestalterische Elemente auf. Hinter den meisten Konflikten stehen aber persönliche und unternehmerische, wirtschaftliche wie ideelle Zielsetzungen, Interessen und Bedürfnisse, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens keine Berücksichtigung finden und finden können. Mediation ist immer dann sinnvoll, wenn die Parteien die Lösung ihres Konfliktes selbst und zukunftsorientiert bestimmen wollen, insbesondere wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – künftig weiter Kontakt pflegen. Gerade deshalb findet Mediation ja gerade nicht nur in Familienkonflikten, sondern auch im Wirtschaftsbereich immer stärker Anwendung, da die Unternehmen Konflikte zukunftsgerichtet und gewinnbringend lösen wollen. Der Gang zum Gericht führt in vielen Fällen nicht zu den erwarteten Ergebnissen ungeachtet des getriebenen zeitlichen und finanziellen Aufwands. Mediation bietet hierzu eine Alternative. Mediation ist also beileibe nicht nur etwas für sog. „Gutmenschen“ – was immer das sein mag – sondern für rational kalkulierende und auf ihre Interessen achtende Parteien.
4. Warum waren die Unternehmen die ersten, die Mediation genutzt haben?
In Deutschland wurde Mediation zunächst in strafrechtlichen und familienrechtlichen Konflikten, also im sog. Täter-Opfer-Ausgleich und in Trennungs- und Scheidungsverfahren genutzt. Allerdings haben Mediation und andere Formen der „alternative dispute resolution“ (ADR) auch im Wirtschaft- und Unternehmensbereich durch die Globalisierung der Unternehmenstätigkeit und der Internationalisierung des Rechts an Bedeutung gewonnen. Kaum ein international agierendes Unternehmen kann sich heute einem außergerichtlichen Streitverfahren wie der Mediation entziehen. Die positiven Erfahrungen mit Mediation haben gezeigt, dass diese Konfliktvermittlung letztlich universell, also in allen Konflikt- und Arbeitsfeldern, einsetzbar ist.
5. Kann Mediation auf Dauer die Gerichtsverfahren ersetzen?
Mediation und Gerichtsverfahren sind zwei v.a. methodisch unterschiedliche Wege der Streitklärung. Bei einer Mediation sind nicht nur rechtliche Fragen von Bedeutung, vielmehr können von den Parteien alle (wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen) Aspekte eines Konflikts in die Diskussion eingebracht werden. Aufgrund ihrer interdisziplinären Kompetenzen sind gut ausgebildete Mediatoren in der Lage, den Dialog zwischen den Konfliktpartnern zu fördern, um einen Konsens, eine einvernehmliche Regelung oder Lösung zu finden, bei der beide „gewinnen“ können. Dies führt in aller Regel zu einer nachhaltigen Zufriedenheit der Parteien. Mediation ist aber kein Allheilmittel, sondern stets eine zusätzliche Option für die Parteien. Zudem, die außergerichtliche Vermittlung ist stets nur „im Lichte des Rechts“ möglich, das Rechtssystem schafft und garantiert den Rahmen innerhalb dessen die Mediation wirken kann. Mediation ist zwar ein außer-gerichtliches, aber kein außer-rechtliches Streitverfahren.
6. Spart der Staat wirklich, wenn er Mediation fördert?
Zunächst einmal sparen die streitführenden Parteien und zwar in der Regel Zeit und Geld. Die direkten Kosten eines in erster Instanz durchschnittlich 6-9 Monate (mit einer Berufung deutlich länger) dauernden Gerichtsverfahrens durch Anwalts- und Gerichtsgebühren betragen in aller Regel ein Vielfaches der Kosten für die Hinzuziehung eines Mediators. Nicht berechnet sind hierbei die mittelbaren Kosten, die ein Gerichtsverfahren verursacht, sei es durch die emotionale Belastung oder z.B. durch die Bindung von Ressourcen zur Vorbereitung und Durchführung einer gerichtlichen Auseinandersetzung, z.B. Besprechungen mit Mitarbeitern und Anwälten. Demgegenüber können auch hochkomplexe Streitfragen im Rahmen einer Mediation schon im Hinblick auf das Verfahren selbstbestimmt und planungssicher durch eine individuell abgestimmte Zeit- und Ortswahl in einer überschaubaren Zeit bearbeitet sowie umfassend und nachhaltig (ohne Folgekonflikte oder weitere Instanzen) geregelt werden. Durch die Reduzierung von Gerichtsverfahren spart langfristig dann auch der Staat. Deshalb wird die Mediation sowohl von der alten wie neuen Landesregierung gleichermaßen gefördert, nicht zuletzt wohl aber auch deshalb, weil für viele Konflikte, die vor Gericht nicht gelöst werden können, eine Alternative bereit steht und dadurch mittelbar auch das Justizsystem an Akzeptanz gewinnt.
7. Was war Ihr größter Mediationserfolg und ihr größter Reinfall?
Gemessen an der Zufriedenheit der Parteien wohl die Mediation in einer Erbangelegenheit, in denen die Parteien mehrere Jahre zuvor prozessiert und vergeblich eine Lösung ihres Konfliktes gesucht hatten. Am schwierigsten war eine Nachbarstreitigkeit, in denen die Parteien miteinander verwandt und von Beruf Juristen waren. Relativ leicht zu vermitteln sind Wirtschaftskonflikte, in denen die Parteien ungeachtet aller persönlichen Motive und Verletzungen letztlich meistens doch an einer zukunftsgerichteten, für Ihr Unternehmen ökonomisch sinnvollen Lösung interessiert sind. Aber auch wenn es nach einer Beratung nicht zu einer Mediation kommt oder die Parteien trotz meiner Unterstützung keine einvernehmliche Regelung finden können, möchte ich nicht von „Reinfall“ sprechen. Die Konfliktberatung wie die Mediation muss ergebnisoffen sein, die Parteien müssen sich frei entscheiden können, ob sie die für sie interessensgerechte Lösung über eine außergerichtliche Verhandlung durch eine Mediation oder durch ein anderes Verfahren erreichen können.
(die Fragen stellte Susanne Iden)