EU beklagt mangelnde Fortschritte bei der Förderung der Mediation in den europäischen Mitgliedstaaten

Am 28.8.2008 erliesen das Europäische Parlaments und der Rat der EU die Richtlinie über
bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (2008/52/EG – 15003/5/07 REV 5). Diese sollte dazu dienen, den Zugang zur alternativen Streitbeilegung (ADR) in Zivil- und Handelssachen einschließlich des Familienrechts zu vereinfachen und die gütliche Einigung bei Streitigkeiten zu unterstützen, indem der Einsatz von Mediation gefördert und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Mediations- und Gerichtsverfahren gewährleistet wird. Nun hat die EU-Kommission am 26.08.2016 einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2008/52/EG veröffentlicht. Hierin wird festgestellt, dass das Ausmaß der Auswirkungen der Richtlinie auf die Mitgliedstaaten variiert je nachdem, welche nationalen Mediationssysteme bereits zuvor angewendet wurden.

Zur Erinnerung: Zwar gilt die EU-Richtlinie 2008/52/EG (eigentlich) nur für grenzüberschreitende Streitigkeiten in Zivil- und Handelssachen (einschließlich Familienrecht, nicht aber z.B. Steuer- und Zollsachen; vgl. Art. 1 Abs. 2 RL 2008/52/EG), sie sollte aber Austrahlungswirkung zur Förderung des Mediationsverfahrens auch innerhalb der Mitgliedsstaaten entfalten. Die EU-Mitgliedsstaaten (mit Ausnahme von Dänemark) wurden verpflichtet, sowohl die Entwicklung und Einhaltung von Verhaltenskodizes durch Mediatoren und Organisationen, die Mediationsdienste erbringen, sowie andere wirksame Verfahren zur Qualitätskontrolle für die Erbringung von Mediationsdiensten, insb. die Aus- und Fortbildung von Mediatoren zu fördern, um sicherzustellen, dass die Mediation für die Parteien wirksam, unparteiisch und sachkundig durchgeführt wird (Art. 4 Abs. 1 u. 2 RL 2008/52/EG). Die Inanspruchnahme von Mediationsverfahren sollte u.a. dadurch gefördert werden, dass ein Gericht die Parteien eines Streitfalles auffordern kann, die Mediation zur Streitbeilegung in Anspruch zu nehmen oder zumindest auffordern kann, an einer Informationsveranstaltung über die Nutzung der Mediation teilzunehmen (Art. 5 RL 2008/52/EG). Wichtig sei vor allem, dass die Vollstreckbarkeit einer im Mediationsverfahren erzielten Vereinbarung sichergestellt werde. Die Mitgliedsstaaten wurden deshalb verpflichtet, ein Verfahren einzurichten, das es den Parteien ermöglicht, eine Bestätigung der in einer Mediation getroffenen Vereinbarung anzufordern, um zu gewährleisten, dass eine Vereinbarung über die Streitbeilegung in der gesamten EU zu Bedingungen vollstreckt wird, die für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung gelten (Art. 6 RL 2008/52/EG). Schließlich wurde auch die Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens stärker geschützt (Art. 7 RL 2008/52/EG). Weder die Mediatoren noch andere an einer Mediation beteiligte Personen sind verpflichtet, im Rahmen eines Gerichtsverfahrens Aussagen zu Informationen zu machen, die während einer Mediation erhalten wurden, es sei denn dies ist aus vorrangigen Gründen der öffentlichen Ordnung geboten, insbesondere, um die physische Integrität einer Person zu schützen oder die Offenlegung des Inhalts der Vereinbarung ist zur Umsetzung oder Vollstreckung dieser Vereinbarung erforderlich.

Der nun veröffentlichte Bericht der EU-Kommission zeichnet acht Jahre später – entkleidet von einer positiven Rhetorik – ein eher ernüchterndes Bild. Schwierigkeiten bei der Umsetzung der nationalen Mediationssysteme in der Praxis hängen hauptsächlich mit der kontradiktorischen Streitkultur in vielen Mitgliedstaaten, mit dem geringen Maß an Bewusstsein in Sachen Mediation und der Funktionsweise der Qualitätskontrollmechanismen zusammen. Insgesamt werden aber die immer noch geringen  Fallzahlen von Mediationsverfahren bekalgt, die in allen Mitgliedstaaten im einstelligen Prozentbereich der tatsächlich vor Gerichten ausgetragenen Streitfälle liegen.  Die EU-Kommission hält dieses Ergebnis für unzureichend und fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, mehr Anstrengungen zu unternehmen, um die Fallzahlen zu erhöhen. Das könne ggf. auch durch Rechtsvorschriften erfolgen, die zur Nutzung von Mediation verpflichten (vgl. Art. 5 Abs. 2 EU-Mediationsrichtlinie) oder andere  Anreize vorsehen (Bericht der EU-Kommission 2016, 13):

Die Mitgliedstaaten sollten, wenn notwendig und angemessen, ihre Bemühungen verstärken und die Anwendung von Mediation über verschiedene in der Richtlinie vorgesehene und in diesem Bericht angesprochene Mittel und Mechanismen fördern. Insbesondere sollten weitere Bemühungen auf nationaler Ebene unternommen werden, um die Zahl der Fälle, in denen Gerichte die Parteien für die Beilegung ihrer Rechtsstreitigkeiten zur Mediation auffordern, zu erhöhen. Folgende Fakten gelten in diesem Zusammenhang als Beispiele der besten Praxis: Verpflichtung der Parteien, in ihren Anträgen vor Gericht anzugeben, ob sie einen Mediationsversuch unternommen haben, insbesondere in Familienrechtssachen obligatorische Informationssitzungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens und eine Verpflichtung der Gerichte, Mediation in jeder Phase von Gerichtsverfahren zu erwägen, finanzielle Anreize, wodurch es für die Parteien wirtschaftlich attraktiver wird, Mediation in Anspruch zu nehmen anstatt auf ein Gerichtsverfahren zurückzugreifen, Sicherstellung der Vollstreckbarkeit einer Vereinbarung ohne die Zustimmung aller Parteien.

Den vollständigen Text des Kommissionsberichtes finden Sie hier → EU-Kommission Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2008/52/EG.